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Der Frontalangriff auf alle Sinne Gedanken kurz vor der Premiere des "Herrn der Ringe" - Teil I Die Gefährten
Von Gerandalf
18. Dezember, 23.55 Uhr: Guter Dinge sind die Fans,
und noch sicher, dass ihnen eine runde Nacht bevorsteht. |
Viele Monate hat er im Kopf gespukt, der Moment, in dem es soweit sein sollte. Der Gedanke an ihn ward geboren, als so viele um mich herum noch diesen
gewissen mitleidigen Zug um den Mundwinkel bekamen, wenn man vom großen Tag Ende 2001 sprach. Ein Jahr, das in seinen Extremen ebenso geeignet war, einen zum Mittelerdestoff hinzuziehen,
sich in ihn zu flüchten vor dem Grauen der Welt, und von da wieder abgestoßen zu werden, weil auch der Ringkrieg nicht gerade ein Loblied auf die Friedfertigkeit ist. Ein Jahr aber auch, in dem die
Beschäftigung mit Mittelerde stetig an Intensität zunahm. Bis in die jüngsten Tage, als die "richtige" Öffentlichkeit Notiz nahm vom Jackson-Projekt, dass sie
bisher zwar fix gestreift, aber auch immer genauso schnell wieder aus den Augen verloren hatte. Und dann diese merkwürdige Konkurrenzstellung zum Potter-Film. Nur für die Unbedarften wirklich
vergleichanregend und meist oberbanal auf die Prognose der jeweiligen kommerziellen Publikumswirkung beschränkt. Sicher, Geld regiert die Welt, doch letztlich daran den Erfolg messen? Wer keine Time-Warner-Aktien
hat, dem mag am Ende doch deren Dividende schnuppe sein. Fast werden Bilder, Filmfetzen, zum Schluss auch Gespräche und Musik noch vor dem Start so vertraut, das man
sich zu fragen beginnt, ob einen der eigentliche Film noch überraschen kann. Die ersten Kritiken sind verfügbar - der Jubel in ihnen unisono. Holla, hinweg gespült alle Vorbehalte? Das weniger,
die echten Gegner kennen ihn wohl noch nicht, für manche unter ihnen soll es ja auch dabei bleiben. Ich habe mich vorher mit mir selbst geeinigt: Die Bilder, wie ich sie kannte, werden bleiben, die neuen
hinzugefügt, der Film abseits aller buchhalterischen Erwägungen als das begriffen, was er für die Kenner nur sein kann:
Peter Jackson versucht, die Geschichte (aus dem Kopf) nachzuerzählen, wie er sie in Erinnerung hat. Er wendet
sich eigentlich an die Nichtkenner, von denen er mit Sicherheit all jene, die grundsätzlich bereit sind, überreden
wird, nach dem ersten Teil, das Buch zu lesen, dort vielleicht den ersten, mit Sicherheit aber den zweiten Band.
Der Film - ein gigantischer Klappentext, der die Faulen nicht erreicht - es nicht schaffen konnte - und die Bereiten einstimmt.
18. Dezember, 23.50 Uhr: Anstellen hatte eigentlich
keinen Zweck mehr, die Mitternachtspremiere war lange vorher ausverkauft. |
Den Kennern bleibt nur die Konversation mit dem Auch-Leser Jackson. Das machen sie doch sonst so
gern. Freilich, sie beneiden ihn ein wenig, dass man Jackson Geld gab, sehr viel Geld, das er beim Erzählen zuhilfe nehmen konnt. Und wohl Bewunderung dazu, denn auch (nach)erzählen ist ja eine Kunst.
Daran, ob Jacksons Bilder die eigenen in der Phantasie löschen, könnte man messen, wie tief ein Kenner verwurzelt ist. Wer seine Bilder verdammt, nimmt öffentlich die Begründung mangelnder Detailtreue nur
als Krücke für das Nichteingeständnis, dass die eigenen Bilder gegen die von Peter nicht halten werden, weil man selbst erst auf dem Wege war nach Mittelerde. Ganz provokativ: Tolkien war ein kongenialer Erzähler,
doch gemalt hat er lausig. Wäre er Gefahr gelaufen, seine Bilder zu verlieren? Ilmenau, das kleine Ilmenau, vom Weltenlauf vergessen, wie neun Zehntel dieses Erdballs auch, ist
in dieser Nacht eins mit der Welle, die an der Datumsgrenze entlang über den Globus rollt. Dies Gefühl ist eigentlich Anlass genug für die Hochstimmung. Doch
sitzen in dieser Nacht, der (fast) längsten des Jahres im skurrilen Doppelsinne wirklich gut 200 Kinogänger in der Lindenstraße wirklich beieinander?
Oder wird ein jeder einzeln mit seinem Blick. Sollte der Saal nicht eigentlich ganz leer sein für den innigen Genuss?
Was, wenn sich die Gedanken aller im Dunkel zusammen schließen ließen. Ein nächstes Mal vielleicht. Denn das
(zumindest in den letzten Minuten vorher) steht fest: Nicht zum letzten Male sollten Peter Jackson die Sinne geliehen werden. |